Die EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD)
Im Rahmen des „Green Deals“ ist am 5. Januar 2023 die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU in Kraft getreten. Damit wurden die Meldevorschriften für Sozial- und Umweltinformationen für bestimmte Unternehmen modernisiert und verschärft.
Beginnend mit dem Geschäftsjahr 2024 verpflichtet die Richtlinie zur Veröffentlichung jährlicher Nachhaltigkeitsberichte mitsamt CO2-Bilanz. Auf diese Weise soll nicht nur mehr Transparenz über die Klimabemühungen von Unternehmen geschaffen werden, sondern Unternehmen können ihren eigenen Verbesserungsbedarf besser ermitteln.
Aus NFRD wird CSRD
Seit Beschluss des Green Deals ist die Richtung klar. Die Europäische Union möchte mit einem Bündel an Maßnahmen bis 2050 klimaneutral werden. Die Verabschiedung der CSRD bildet einen weiteren Schritt hin zu diesem Ziel. Unternehmen müssen nun ihre Bemühungen um nachhaltiges und klimaschonenden Wirtschaften offenlegen. Durch objektive, einheitliche Standards für die Berichterstattung über die Unternehmensauswirkung auf Umwelt und Gesellschaft können Stakeholder wie Investoren, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Verbrauchern und anderen Interessengruppen die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen besser bewerten.
Die neue Richtlinie stellt eine Erweiterung der NFRD da. Im Rahmen der Non-Financial Reporting Directive (in Deutschland CSR-Richtlinie) musste seit 2014 bestimmte Unternehmen von öffentlichem Interesse in der EU Berichte und Informationen zu folgenden Bereichen veröffentlichen (Quelle: Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (europa.eu)):
- Umweltangelegenheiten
- Soziales und Umgang mit Arbeitnehmern
- Achtung der Menschenrechte
- Bekämpfung von Korruption und Bestechung
- Diversität in Unternehmensvorständen (in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bildungs- und Berufshintergrund)
Die erweiternde CSR-Richtlinie legt die Offenlegungsanforderungen für die Berichterstattung fest. Betroffene Unternehmen müssen die europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards – ESRS) einhalten. Die Standards werden in die Bereiche Environmental, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) sowie übergreifende Standards unterteilt (Quelle: Umweltberichterstattung – Berichtsstandards | Umweltbundesamt).
Die genaue Formulierung der Standards wird im Auftrag der Europäischen Kommission von einer Expertengruppe der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) erarbeitet. Die dazu bestimmte Feedback-Phase unter Einbeziehung von Stakeholdern läuft vom 06. Juni 2023 für vier Wochen. Die entwickelten Standards werden nach Ablauf der EU-Kommission zur Abstimmung vorgelegt. Die Standards orientieren sich an bestehenden Normen wie z. B. der Global Reporting Initiative (GRI). Sie werden auf die EU-Politik zugeschnitten, sollen aber auch auf internationalen Normungsinitiativen aufbauen und zu diese erweitern. Durch die einheitliche und umfassende Normung der Berichte sind diese besser zu bewerten. Die Einführung von Kennziffern erhöht außerdem die Messbarkeit und Vergleichbarkeit von Angaben. Weitere Anforderungen für die Berichterstattung lauten:
- Doppelte Wesentlichkeit: Unternehmen berichten über die Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs auf Mensch und Umwelt und über die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen. Bisher mussten Unternehmen nur über diese Aspekte berichten, wenn beide als wesentlich eingestuft wurden.
- Externe Prüfung: Wie die Finanzberichterstattung muss die Nachhaltigkeitsberichterstattung extern geprüft werden. Wie bei der Finanzberichterstattung wird im ersten Schritt eine Prüfung mit begrenzter Sicherheit (limited assurance) und anschließend eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit (reasonable assurance) durchgeführt.
- Teil des Lageberichts: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung soll denselben Stellenwert wie die Finanzberichterstattung gewinnen. Der Zugang zu Nachhaltigkeitsinformationen soll außerdem erleichtert werden. Diese Informationen werden daher zu einem verpflichtenden Teil des Lageberichts.
- Einheitliches elektronisches Berichtsformat: Wie Rechnungslegungsunterlagen wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung im European Single Electronic Format (ESEF) offengelegt. Zu diesem Zweck wird die Europäische Kommission eine eigenen XBRL-Taxonomie veröffentlichen.
Durch die CSRD werden nun Lücken in der NFRD geschlossen und die Nachhaltigkeitsberichterstattung insgesamt ausgeweitet. Auf diese Weise wird die Rechenschaftspflicht europäischer Unternehmen in Nachhaltigkeitsaspekten erhöht und erstmals verbindliche Berichtsstandards auf EU-Ebene eingeführt.
Gilt die CSRD für mein Unternehmen?
Nach der CSR-Richtlinie sind Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften mit ausschließlich haftungsbeschränkten Gesellschaftern mit den folgenden Eigenschaften berichtspflichtig:
- Große Unternehmen im bilanzrechtlichen Sinne
- Kapitalmarktorientierte KMU (Kleine und Mittlere Unternehmen) im bilanzrechtlichen Sinne
- Drittstaatenunternehmen mit 150 Mio. Euro Umsatz in der EU, deren Tochterunternehmen die vorstehenden Größenkriterien erfüllen oder deren Zweigniederlassungen mehr als 40 Mio. Euro Umsatz erreichen
- Alle nicht börsennotierten Betriebe, die zwei dieser drei Kriterien erfüllen: Eine Bilanzsumme über 20 Millionen Euro, Nettoumsatzerlöse über 40 Millionen Euro und/oder mehr als 250 Beschäftigte
Die neue Regelung betrifft etwa 50.000 Großunternehmen sowie börsennotierten KMU EU-weit. Kleinstunternehmen sind vom Anwendungsbereich ausgenommen. Die Berichtsanforderungen der CSRD gelten beginnend ab dem 1. Januar 2024 eingeschränkt und werden dann sukzessive erweitert:
- Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beginnend zum 1. Januar 2024
- Alle anderen bilanzrechtlich Großunternehmen beginnend zum 1. Januar 2025
- Kapitalmarktorientierte KMU beginnend zum 1. Januar 2026
Börsennotierte KMU können jedoch bis 2028 eine Ausnahmeregelung („Opt-out“) in Anspruch nehmen.
Die Klimabilanz im Nachhaltigkeitsbericht
Neben den oben genannten Angaben wird im Nachhaltigkeitsbericht auch eine Bilanz der Treibhausgasemissionen aufgeführt. Neben CO2 werden auch andere relevanten Treibhausgase wie Methan oder Lachgas berücksichtigt. Bei der Berechnung spricht man deshalb von CO2-Äquivalenten (CO2e).
Zur Erfassung wird der Standard des Greenhouse Gas Protocol (GHG-Protokoll) verwendet. Dieser wurde von den Vereinten Nationen anhand des Kyoto-Klimaschutzabkommens definiert und ist so angelegt, dass Unternehmen mit ihm selbst ihre Bilanz errechnen können. Die CO2e-Emission wird dabei in drei Scopes (deutsch „Umfänge“) erfasst:
- Scope 1: Direkt erzeugte Emissionen, die durch die Nutzung eines Produktes entstehen, z. B. die Abgase des eigenen Fuhrparks oder Emissionen, die durch das Verbrennen von Öl in einer Heizung entstehen.
- Scope 2: Indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie wie Strom aus der Steckdose oder Fernwärme.
- Scope 3: Indirekte Emissionen innerhalb der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette. Hierbei handelt es sich um Emissionen, die zwar im Zusammenhang mit der Produktion entstehen, aber vom Unternehmen selbst nicht kontrolliert werden. Dazu gehören eingekaufte Waren und Dienstleistungen, Pendelverkehr der Beschäftigten oder die Entsorgung verkaufter Produkte.
Die Verbräuche werden mit einem jeweiligen Emissionsfaktor multipliziert, der sich aus dem Verhältnis zwischen der Masse eines emittierten Stoffes und der Masse eines Ausgangsstoffes ergibt. Emissionsfaktoren sind in anerkannten Datenbanken wie die GEMIS, die IPCC-Leitlinien und ProBas öffentlich zugänglich.
Für eine seriöse Klimabilanz und ein nachhaltiges Wirtschaften ist eine sorgfältige Datenerhebung unumgänglich. Eine solche Erhebung ist jedoch nur mit zeitlichem, personellem oder monetärem Aufwand zu bewerkstelligen. Die Einführung der CSRD trägt dazu bei, dem Thema Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung mehr Gewicht zu verschaffen. Dadurch wächst die Bereitschaft, diesen Aufwand auf sich zu nehmen.
Dr. Frank Lampe
Position: Geschäftsführer Merways GmbH
Experte: Autor mehrerer Fachbücher und Fachartikel u.a. zu den Themen Green IT, Marketing und eCommerce
Erfahrung: Honorar- und Gastdozent u.a. an Graduate & Professional School der Hochschule Bremen.